Ein Text irgendwo zwischen Appell und Bericht

Als am 23. August 1997 die erste Hanfparade in Berlin stattfand, war das ein ganz besonderer Tag für mich – mein 19. Geburtstag! Von der Existenz der Hanfparade habe ich damals allerdings wohl nicht das Geringste mitbekommen.

Im aktuellen Jahr, also 2016, bei der mittlerweile 20. Hanfparade, war ich nicht nur doppelt so alt wie damals, sondern war auch dabei – so richtig live und vor Ort.

Für Steffen Geyer, der die Demonstration nun seit 15 Jahren angemeldet und mitgestaltet hat, war es leider die letzte „eigene“ Hanfparade, ehe er nun Platz für den Nachwuchs machen möchte.

Rückblicke…

Steffen und ich haben uns im Sommer 2012 das erste Mal von Angesicht zu Angesicht getroffen. Ich war gerade erst vor ein paar Monaten bei den Piraten eingetreten, und Steffen wollte die 100 Tage vor der Hanfparade nutzen, um mit der „Cannabiskultour“ das Thema Legalisierung auch in anderen Städten außerhalb von Berlin auf die Straßen zu bringen. Dabei führte sein Weg ihn auch nach Duisburg, was ja von Dortmund aus gesehen quasi um die Ecke ist.

Die Aktion in Duisburg war ziemlich trist – und das nicht nur, weil die Stadt an sich schon ja ziemlich trist sein kann. Es waren keine 20 Leute da, die bei den Passanten kaum Beachtung fanden. Und wenn doch, dann guckten uns die Leute auch nur kopfschüttelnd von der Seite an.
Und das war wohl noch nicht einmal die traurigste Station der Cannabiskultour…

Ich fragte Steffen damals am Ende der Demo, ob das nicht total frustrierend ist: All die Arbeit und dann kommt (kaum) jemand!
Steffen zuckte mit den Schultern und meinte nur ganz lapidar: „Ach, wenn’s auch nur eine Person dazu gebracht hat, auch irgendwie aktiv zu werden, dann hat’s sich doch gelohnt.“

Ein Dreivierteljahr später fand der erste Global Marijuana March in Dortmund statt…

Hin: Berlin, wir kommen!

Auf dem Weg zur Hanfparade in Berlin, 2016
Auf dem Weg zur Hanfparade in Berlin, 2016

Da Steffen mich zum wiederholten Male gefragt hatte, ob ich eine der Reden bei der Abschlusskundgebung übernehmen könnte, saß ich so also gefühlt mitten in der Nacht am letzten Samstag schon um kurz nach sieben morgens mit dem Lieblingsmann im ICE auf dem Weg nach Berlin.

Die angedachte Rede war natürlich noch nicht fertig, aber so eine Fahrt von Dortmund nach Berlin ist ja ziemlich lang.

Bei unserer Ankunft wurden wir immerhin aber direkt mit strahlendem Sonnenschein willkommen geheißen.

Frühstück in Berlin, 2016
Frühstück in Berlin, 2016

In Berlin blieb noch genug Zeit für ein Frühstück, während wir schon dabei zusehen konnten, wie die ersten Menschen sich sammelten und der Aufbau der ersten Paradewagen – die Berliner Piraten waren natürlich auch dabei – begann.

Die Hanfparade ist noch immer bei weitem die größte und am besten organisierte Legalisierungsdemo in Deutschland (vermutlich auch die lauteste), und selbst wenn bei der Auftaktkundgebung erst ca. 1.500 Menschen vor Ort gewesen sein sollen, sollen am Ende weit über 10.000 Menschen dort gewesen sein.

Und gemeinsam mit Hans-Christian Ströbele eingeladen gewesen zu sein, ist natürlich etwas, das auf unserem kleinen Global Marijuana March eher nicht vorkommt…

Die kleinen Ableger

Mit dem Global Marijuana March hat die Hanfparade viele neue kleine Ableger bekommen – einen davon in Dortmund.

Als ich 2013 dort den ersten GMM organisiert habe, war das noch ziemlich alleine eine Veranstaltung der Piratenpartei. Den größten Teil der Vorplanung habe ich alleine übernommen, ein Budget gab es eigentlich nicht. Mittlerweile hat es in Dortmund vier Global Marijuana Marches gegeben, und wir sind ein recht breit aufgestelltes Bündnis aus verschiedenen Parteien, Initiativen und Privatpersonen bei der Planung und Umsetzung. Und auch die Anzahl der Demonstrierenden ist mit jedem Jahr gestiegen, obwohl die Zahlen natürlich ganz, ganz weit weg sind von denen der Hanfparade.

Überhaupt ist bei der Hanfparade alles ein paar Nummern größer als bei uns…

Rede auf der Hanfparade, 2016
Rede auf der Hanfparade, 2016

Zwischen Ströbele und Eko Fresh

Nein, ich habe keinen von beiden gesprochen oder angefasst. Aber ich stand immerhin im gleichen Programm und bin auch in den Genuss des Backstage-Bereichs gekommen, bevor und nachdem es auf die Bühne ging. Und die „Betreuung“ dort kann ich wirklich nur loben – meinen Dank an die netten drei Herren dort! ;)

Aber manches ist in Berlin genau wie in Dortmund:
Die meisten Demonstrierenden wissen ja bereits, um was es geht und müssen nicht mehr überzeugt werden. Entsprechend muss man nicht immer damit rechnen, dass auch jemand zuhört, nur weil man ein Mikrofon hat und gerade redet.

Ich freue mich daher besonders, ein paar Menschen gefunden zu haben, die mir tatsächlich zugehört haben!

Warum die kleinen Demos trotzdem so wichtig sind

Verglichen mit der Menschenmenge, die in Berlin zur Hanfparade zusammen findet, kommen mir die tausend Demonstrierenden bei uns im Ruhrpott zwar jetzt gar nicht so viel vor, aber auch der jährliche Anstieg dieser Zahl zeigt eines ganz klar:

Es ist ein „Bedarf“ an solchen Veranstaltungen vorhanden, und wenn das Angebot da ist, wird es auch in Anspruch genommen. Diese kleinen Demos neben der Hanfparade sind wichtig!

Weil die kleine Demo ein paar Städtchen weiter vielleicht doch so nah ist, dass man sich eventuell aufrafft und dort vorbei schaut. Obwohl man für das Thema jetzt nicht ganz bis nach Berlin fahren würde, auch noch andere Aktivitäten auf dem Schirm hat und das Vorantreiben der Legalisierung nicht als eigene Lebensaufgabe empfindet.

Und das genau diese Menschen bei diesen niederschwelligen Gelegenheiten auf die Straße gehen, ist gut!

Weil wichtig ist, dass endlich klar wird, dass sich nicht nur ein paar vercheckte arbeitslose Hippies, die ja eh nichts besseres zu tun haben, als sich von morgens bis abends mit dem kiffen zu beschäftigen, die Legalisierung wünschen.

Weil wichtig ist, dass endlich klar wird, dass der Konsum von Hanfpdodukten kein Phänomen irgendwelcher großstädtischen „Krisengebiete“ ist.

Menschen, die kiffen, gibt es überall. Sie sind Lehrer und Kindergärtnerinnen, Dachdecker und Feuerwehrleute, Physiker und Physiotherapeuten, Ärzte und Systemadministratorinnen, Politiker und Verkäufer im Einzelhandel.

Sie leben in Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern, Sie leben alleine, mit Haustieren, in WGs, mit ihren Familien.

Kiffen ist schon lange keine Randerscheinung mehr. Und gerade in Bezug auf den medizinischen Gebrauch ist zum Glück schon einiges – wenn auch längst nicht genug! – passiert.

Aber auch wenn die Hilfe für kranke Menschen natürlich eine ganz andere Relevanz hat, als purer Genuss: Ich wünsche mir, dass bei all den Argumenten die Debatte über Cannabis als Genussmittel nicht vergessen wird.

Cannabis ist gar nicht nur ein Medikament! Es kann auch einfach nur Spaß machen.

Natürlich wird es auch in Zukunft weiter Menschen geben, die sich dem verschließen und lieber bei ihren Vorurteilen bleiben, dass Menschen, die Haschisch spritzen alle psychische Wracks sind, die nicht pünktlich zur Arbeit erscheinen können und auch sonst nix auf die Reihe kriegen.

Aber ich glaube, wer sich realen Gegebenheiten nicht verschließt, muss irgendwann einsehen, dass das Verbot von Cannabis nicht die gewünschten Folgen hat und eine Legalisierung nicht die befürchteten Folgen haben wird.

Ich persönlich glaube ja, unsere Gesellschaft könnte von einer Legalisierung nur profitieren.
Kiffen macht ja bekanntlich ein bisschen entspannter und schafft im Kopf mehr Platz für Toleranz.
Ich glaube, derzeit könnte uns wirklich weitaus schlimmeres passieren!

Zurück: Das war’s aber wert!

Nach einer rundum gelungenen Veranstaltung erwartete uns noch spät Abends die Heimfahrt. Kurz gesagt: Sie war sehr lang, sehr voll und sehr unbequem. Und Verspätung hatte der Zug auch noch. Einmal Berlin und zurück in 25 Stunden…

Trotzdem: Die nächste Hanfparade kommt bestimmt!

Allerdings dürfen wir trotzdem nicht nach Hause gehen, um da zu warten, dass die nächste Hanfparade kommt. Werdet selbst aktiv!

Ich bin mir nämlich sicher: Die Legalisierung wird kommen – aber wir haben es in der Hand, das zu beschleunigen!

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